Photos by Charlotte Wellings
An Manchester führt – was die Musik betrifft – kein Weg vorbei. Die Kulturmetropole im Norden von England bringt seit Generationen großartige Bands hervor. Mit seinem bevorstehenden Debütalbum Just A Name macht sich nun auch Ashley Sherlock bereit, seinen Platz in diesen illustren Reihen einzunehmen und dabei eine Musikszene aufzumischen, die mehr denn je Künstler wie ihn braucht.
Zusammen mit seinem telepathisch aufspielenden Blues-Rock-Powertrio hat der gefeierte Singer-Songwriter – bekannt für seine abgerockte E-Gitarre der Marke Stelfox, seinen feurigen Gesang und eine Tasche voller Hooks – bereits legendäre Konzertsaale in der britischen Heimat gefüllt. „Für uns hat alles vor etwa vier Jahren begonnen“, erzählt Sherlock über seine Partnerschaft mit der Bassistin Charlie Rachael Kay und dem Drummer Danny Rigg, den beiden Mitgliedern seiner Rhythmusgruppe.
„Ich kam gerade von einer Reise nach Nashville nach Hause und wurde für ein Event gebucht. Auf Wunsch des Veranstalters habe ich für diese eine Show eine neue Band zusammengestellt – und sie sind einfach geblieben! Mittlerweile sind die beiden für mich wie Familie und ich liebe sie über alles.“
Erfahrung sammelte die junge Formation im Vorprogramm von u.a. The Quireboys, der Kris Barras Band und Laurence Jones. Zwei erfolgreiche EPs sind von ihnen bislang erschienen: Das selbstbetitelte Debüt von 2019 und zwei Jahre später der Nachfolger If You’re Listening. Diese führten zu Airplay bei u.a. Planet Rock und einer Nominierung für Sherlock als Young Blues Artist of the Year der UK Blues Federation. Lob erhielt das Trio u.a. von Louder Than War („Es wird ein breites Grinsen auf dein Gesicht zaubern“) und Get Ready To Rock („Macht Lust auf mehr“).
Mit der Veröffentlichung seines Ruf Records Debüt Just A Name will Ashley Sherlock nun auch international Wellen schlagen. „Diese Platte zeigt, wie das Songwriting und der Sinn für Melodien innerhalb der Band gewachsen sind. Dazu spiegelt sie unseren Live-Sound überzeugend wider“, sagt der Bandleader, der das Dutzend einprägsame Songs sowohl im Rahmen der Ruf Blues Caravan-Tour 2023 als auch auf seinen eigenen Shows in diesem Jahr präsentieren wird. „Viele der Songs handeln von neu gewonnener oder auch verlorener Liebe, vom persönlichen Wachstum oder aber sind meine Beobachtungen zum Zeitgeschehen.“
Da Hochglanzstudios nicht ihr Ding sind, entschieden sich Sherlock, Kay und Rigg im vergangenen Dezember, sich lieber in die Hallam Mill in Manchester einzuquartieren. Dort hat es laut dem Frontman zwischen den Musikern richtig gefunkt. „Der gesamte Aufnahmeprozess war echt ein Trip“, schmunzelt er.
„Wir haben vier Tage auf dem Dachboden dieser alten Mühle verbracht und das Album zehn Stunden am Tag überwiegend live aufgenommen. Weil es dort eiskalt war, haben wir uns zwischen den Takes um ein kleines Heizgerät gehockt, um uns aufzuwärmen. Trotzdem war es eine tolle Zeit, die uns näher zusammengebracht hat. So ist uns der Kontext des jeweiligen Songs und die Art, wie wir ihn dem Hörer am besten vermitteln können, immer klarer geworden.“
Der Blues ist zwar ein jahrhundertealtes Genre, muss aber nicht notwendigerweise auf Autopilot laufen. Wie es von einem modernen Songwriter zu erwarten ist, zu dessen Einflüssen Guns N‘ Roses, The Cadillac Three, Dire Straits, Red Hot Chili Peppers und Jeff Buckley gehören, macht das Songmaterial auf Just A Name gerne den einen oder anderen Schlenker in Richtung Soul, Pop oder Hard Rock. Der klassische 08/15-Zwölftakter ist hier Fehlanzeige; jeder Song setzt eigene, unverwechselbare Akzente.
Der Opener „Trouble“ ist eine bittersüße Rocknummer, geprägt von Sherlocks der Schwerkraft trotzendem Falsett sowie von stürmischen Gitarrenriffs, die sich in ein orkanartiges Solo gipfeln. „Realize“ ist kantig und eindringlich, während die stechenden Akkorde und stillen Passagen von „Goodbye To You“ für große Dramatik sorgen.
Sherlock weiß auch in den langsamen Momenten des Albums zu überzeugen. „I Think That She Knows“ ist reuevoll und nachdenklich. „Our Love“ – der den Vergleich mit dem Jeff Buckley-Klassiker Grace nicht scheuen muss – ertönt so zart wie Seide. Mit einem Rhythmus, der sich irgendwie wie ein Planwagen im Wilden Westen anfühlt, klingt „Time“ anders als alles, was im aktuell im Radio läuft.
Sherlocks nahbarer Gesang bei „Empty Street“ schafft eine zunächst intime Atmosphäre, die sich nach und nach zu einem hochfliegenden, Mainstream-tauglichen Refrain aufbaut. „Der Song ist mir während des Lockdowns um fünf Uhr morgens eingefallen und zwar ausgerechnet in meinem Badezimmer“, lacht Sherlock. „Die Akustik war gut! Im Grunde geht’s um ein Selbstgespräch über die guten und schlechten Seiten einer Persönlichkeit und, dass man manchmal die Dinge einfach akzeptieren muss, wie sie sind.“
„Dear Elizabeth“ beginnt mit einem E-Gitarrenschauer, der Jeff Beck würdig ist. Der Song ist eine Bitte an eine verlorene Freundin – „ein Brief an jemanden, dem ich früher nahe stand“ – und wird von einem epischen Solo gekrönt. An anderer Stelle erweckt „Last Call“ das Bild einer langsam verglühenden Liebe, die nicht mehr gerettet werden kann. „Egal, wie sehr sich die Beteiligten bemühen – nicht jede Beziehung ist für die Ewigkeit bestimmt“, überlegt der Songwriter. „In Kneipen ist der ‚last call‘ – also der letzte Aufruf – ein Signal dafür, dass es bald Zeit zu gehen ist. Hier dient er als Sinnbild für eine gescheiterte Beziehung und, dass es am besten wäre, weiterzuziehen.“
Seine bemerkenswerte Debüt-LP mag Just A Name heißen – aber der Name Ashley wird sicherlich bald in aller Munde sein. Und zwar spätestens dann, wenn im Sommer die Platte erscheint und dieser aufstrebende Stern am Bluesrock-Himmel dann überall in Clubs und Konzertsaalen seine neuesten Songs zum Besten gibt.
Heute Manchester, morgen die Welt.