Photos by MJ Mastrogiovanni    

Der Kampfgeist einer Frau, die mit dem Rücken zur Wand steht, sollte niemals unterschätzt werden. Im März 2020 – als die Ausbreitung von COVID-19 zur Schließung etlicher Liveclubs und Aufnahmestudios führte und die Musikszene zum Stillstand brachte – sah sich Ghalia Volt mit einem Dilemma konfrontiert. Was mache ich denn jetzt?

Die Antwort auf diese Frage lautete: One Woman Band.

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Der Schritt zu einem neuen Soloalbum fiel ihr nicht leicht. Seit Beginn ihrer Karriere umgibt sich Volt mit talentierten Musikern und lässt sich gerne von ihrer Energie anstecken. Aus genau diesem Grund ist die gebürtige Belgierin im Jahr 2017 nach New Orleans umgezogen. Dort tat sie sich mit hiesigen Blueslegenden den Mama‘s Boys zusammen und spielte zusammen mit ihnen ihr erfolgreiches Debüt Let The Demons Out ein.

Zwei Jahre später reiste sie auf der Suche nach immer neuen Kollaborationen in das sagenumwobenen Hill Country von Mississippi, um mit Größen wie Cody Dickinson, Cedric Burnside, Lightnin’ Malcolm und Watermelon Slim ihr zweites Album aufzunehmen. Die dort entstandene LP Mississippi Blend hielt sich monatelang auf den oberen Plätzen der Billboard Blues Charts. Nach diesem Durchbruch schien die Transformation der einstigen Brüsseler Straßenkünstlerin, in eine anerkannte Tochter der amerikanischen Roots-Musik vollendet zu sein.

Mit One Woman Band macht Volt auf ihrer Reise nun einen kleinen, spannenden Abstecher. Aus ihrer Erfahrung als Straßenmusikerin hat sie vor allem eines gelernt: Sie ist längst in der Lage, ein Publikum zu verzaubern. In diesem März hat sie sich auf die One-Woman-Philosophie von damals besonnen. „Ich habe angefangen, mit den Füßen Schlagzeug zu spielen – also Kickdrum, Snare, Hi-Hat und Tamburine – während ich singe und mich auf der Gitarre begleite.“

Das neue Format wurde bei einigen Soloauftritten in Mississippi ausgetestet. Dabei erkannte sie, dass die Nummer eins eine durchaus magische Zahl sein kann. Im Sommer begab sie sich dann auf eine lange, intensive Zugreise durch die Vereinigten Staaten, um sich inspirieren zu lassen. „Ich bin kreuz und quer durch Louisiana, Texas, New Mexico, Arizona, California, Nevada, Utah, Wyoming, Colorado, Kansas, Nebraska, Iowa, Illinois, Missouri, Tennessee, Kentucky, Arkansas und Mississippi gereist,“ reflektiert sie. „Mein Ziel? Ich wollte das komplette Album unterwegs schreiben. Die meisten Songs beruhen auf echte Erfahrungen während dieser Reise. Andere sind ein Produkt meiner Fantasie.“

Im November war es dann so weit: One Woman Band wurde in den legendären Royal Sound Studios in Memphis aufgenommen. „Auf diesem Mischpult haben Al Green und Willie Mitchell Geschichte geschrieben“, schwärmt sie. Dem historischen Ort entsprechend entschied sich Volt bei One Woman Band für einen Old-School-Verfahren. Alle Instrumente wurden live aufgenommen. Bis auf einigen wenigen Ausnahmen spielte sie alles selbst: New Orleans-Aß Dean Zucchero taucht zweimal am Bass auf, während „Monster“ Mike Welch (neulich bei Ghalias beliebter, virtueller Session-Reihe „Blues ‚n‘ Roll“ auf YouTube zu Gast) zwei passionierte Gitarrensoli beisteuert. Als Mitproduzent neben Lawrence „Boo“ Mitchell verzichtete Volt auf Perfektion zugunsten einer rauen, dynamischen Atmosphäre. Noch nie waren ihre Songs derart vom Groove angetrieben.

In den stetigen, stampfenden Rhythmen von Titeln wie „Reap What You Sow“ oder „Last Minute Packer“ spürt man das tuckernde Rollen des Zuges. Mit Letzterem macht Volt ein schonungsloser Schnappschuss vom hektischen Leben „on the road“ und geizt dabei nicht mit Zweideutigkeit. (It’s another hotel room/One night stay, wap bam boom’). Die schaudernde Slidegitarre von „Espiritu Papago“ ruft wiederum den Schrei einer Lokomotivpfeife hervor. „Da geht man auf einem Mushroom-Trip mit John Lee Hooker mit und irrt mit ihm an einem heißen Sommertag in der Wüste von Arizona herum“, sagt Volt. „So würde ich die Stimmung dieses Songs in Worte fassen“.

Genau wie die Musik treffen auch Volts offene, ehrliche und auch witzige Songtexte bis ins Mark – egal, ob sie einem Liebhaber die Grundregeln ihrer Beziehung erklärt wie bei „Loving Me Is A Full Time Job“ oder über schlechte Eltern schreibt, die ein kleines Monster großziehen wie bei „Bad Apple“. „It Ain’t Bad ist der erste Song, der mir nach Anfang der Pandemie eingefallen ist“, schaut sie zurück. „Nach ein paar Wochen ohne Freunde und Familie, ohne eine Arbeit oder ein Einkommen, habe ich mir gesagt: Es sind zwar harte Zeiten angebrochen, aber wir haben trotzdem Glück und sollen das nie vergessen. Bei ‚Meet Me In My Dreams’ geht es um die nächtliche Begegnung mit jemanden, der in Wirklichkeit nicht mehr da ist. Wenn die Erinnerungen an diesem Menschen verblassen, ist man dankbar für jeden Moment zusammen – auch wenn es nur im Traum ist.“

               Die COVID-19-Pandemie schrieb ein bisher unbekanntes Kapitel in der Menschheitsgeschichte. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Mit ihrem neuen Album blickt Ghalia Volt in eine bessere Zukunft mit Songs, die wir noch singen werden, wenn wir uns mal endlich wieder treffen können. Sie nennt diese Reise zwar One Woman Band – doch jeder ist herzlich eingeladen.