„Es ist erstaunlich, wo dein Instrument dich so hinführt“, sinniert Will Jacobs – und wenn der gefeierte 29-jährige Bandleader auf die Tracks seines aktuellen Albums „Goldfish Blues“ zurückblickt, kommt einem die Vorgeschichte wie ein fortlaufendes Roadmovie vor. Steck eine Nadel in die Frühphase der Chronik von Jacobs’ Leben und du findest einen Gitarristen im Teenageralter, der die Veteranen der Bluesclubs seiner Heimatstadt Chicago begleitet und seinen eigenen Fingerabdruck in der langen Reihe von Musikern der Windy City hinterlässt, die von alles überragenden Figuren wie Muddy Waters und Buddy Guy überstrahlt wird. Triff ihn im weiteren Verlauf und du wirst einen professionellen Musiker finden, der sich 2009 beim internationalen Blues-Event in Memphis deutlich bemerkbar macht, wo Jacobs’ erste Band Dirty Deal mit den Improvisationskünsten und der orkanartigen Stimme ihres Frontmannes auf sich aufmerksam machte. Weiter ging es Richtung Norden ans Berklee College of Music, wo er sich als vielversprechender Student das Zeug zu einem gefragten Songwriter und Sessionmusiker aneignete, dessen Weg ihn von den USA zunächst nach Sri Lanka führte, bevor er mit dem Zydeco-Glücksbringer C. J. Chenier auf Tour ging.  

Und schon sind wir im Jahr 2016, wo es Jacobs einiges an Vertrauensvorschuss kostete, um sich schließlich in Berlin niederzulassen. Doch seine Flagge in Europa zu hissen, hat sich ausgezahlt mit einer beständig wachsenden Fanbase und ausverkauften Tourneen, die ihn von Deutschland nach Polen, in die Ukraine und nach Armenien führten. „Einen der Gigs, den ich nie vergessen werde“, erinnert er sich, „haben wir in der ältesten Stierkampfarena der Welt im spanischen Béjar gespielt.“

Ihr werdet es mittlerweile erraten haben, dass es sich bei Jacobs um einen Mann handelt, der permanent in Bewegung ist, sowohl geografisch als auch, was seine Kreativität betrifft. Dementsprechend wurde sein neues Album „Goldfish Blues“ in einem Rutsch eingespielt, und das in derselben Zeit, die andere Bands benötigen, um ihre Flightcases zu öffnen und ihre Gitarren zu stimmen. „Wir hatten eine Woche“, sagt Jacobs über die Sessions im Berliner Studio Big D. „Im Vergleich mit den meisten anderen Alben ist das wenig Zeit. Aber ich werde immer das Bild vor Augen haben, wie wir alle zusammen in einem Raum waren, und das wird man der Musik auch definitiv anhören.“

Bekannt für sein Songwriting wie für seine nach warmem Honig klingende Stimme und sein markantes Gitarrenspiel, brachte Jacobs die besten Songs seiner Karriere nach Berlin mit. Von dem lässigen Groove von „Katie’s Blues“ über den ausgeprägten Strut von „Dirty Dog“ bis zum vom Jazz beeinflussten „I Wish“ und „Funky Woman“, dessen Titel für sich selbst spricht, verbeugen sich die Songs vor der Tradition, sind aber für ein modernes Publikum konzipiert und verkünden klar und deutlich universelle, Generationen übergreifende Wahrheiten: „Liebe, Wut, Geld, Glück und Naivität“, erläutert Jacobs, „das sind einige der Dinge, über die man auf dem Album etwas zu hören bekommt. Aber für die übrigen muss man schon selbst hinhören,.“

Während „Goldfish Blues“ mit einem Fuß im titelgebenden Genre verhaftet ist, hat sich Jacobs ansonsten von Regeln und Etiketten gelöst und würzt sein Songmaterial mit allem, was bei ihm ein Kribbeln auslöst. „Ich würde die Musik als eine funkige Blueserfahrung beschreiben“, erläutert er. „Während es einige traditionelle Bluessongs auf dem Album gibt, ist da definitiv auch ein Mix aus Funk und Soul.“

Es braucht eine besondere Art von Musikern, um diese Art von Musik aufzunehmen, während die Studiouhr tickt. Während Jacobs mit seinem Gesang und seinem Gitarrenspiel das Heft in der Hand hatte, wurde er von einer Band von Studiocracks begleitet, bestehend aus Stef Rosen (Gitarre), Brian Sauls (Drums), Matthias Falkenau (Orgel) und Thomas ‚Tomek’ Germann (Bass). Dabei habe die Chemie dermaßen gestimmt, erinnert sich Jacobs, dass es fast schon an Telepathie grenzte, und die Ergebnisse sind oft so laut, dass die Lautsprecher wackeln. „Stellt sicher, dass ihr sie bis 11 aufdreht“, lautet denn auch sein Rat.

Nach fast zwei Jahrzehnten hat Jacobs beim Blick in den Rückspiegel in seiner Karriere schon einiges erreicht. Aber bei den Vorbereitungen für die Veröffentlichung seines wegweisenden Albums „Goldfish Blues“ – und darauf, mit den neuen Songs auf Tour zu gehen – drängt sich die Frage nachgerade auf, wohin die Reise des Gitarristen als Nächstes geht. Also bleibt ihm auf den Fersen …